Im November und Dezember 2021 hat der Philosoph und Politökonom Otto Lehto das FRIBIS als Gastwissenschaftler besucht. Wir wollten von ihm wissen, wo die Grundeinkommensforschung aus seiner Sicht heute steht, welchen Nutzen er aus seiner Zeit am FRIBIS ziehen konnte und welche Forschungsthemen ihn in Zukunft beschäftigen werden.

Wo steht die Grundeinkommensforschung heute?

„Die Grundeinkommensforschung hat sich zu einem vielfältigen, interdisziplinären Feld entwickelt. Mehr Menschen als je zuvor betreiben heute qualitativ und quantitativ erstklassige Wissenschaft. Es gibt starke Bemühungen, ökonomische, philosophische und politische Überlegungen miteinander in Einklang zu bringen. Das Thema BGE zieht allerdings weniger diejenigen an, die kritisch oder neutral eingestellt sind, sondern vor allem Befürworterinnen und Befürworter. Es ist daher wichtig, sich nicht von eigenen Wünschen und Zielen blenden zu lassen. Wir konzentrieren uns auch zu sehr auf kurzlebige experimentelle Studien (RCTs) und politische Gestaltungsansätze, die sich an Einzelfällen orientieren. Meiner Meinung nach verhindert das eher, dass ein BGE im Rahmen einer langfristigen institutionellen Reform der grundlegenden Menschenrechte tatsächlich eingeführt wird.“

Was hat Dir der Aufenthalt am FRIBIS gebracht?

„Zunächst einmal ist Freiburg eine wunderschöne Stadt. Davon abgesehen habe ich meine Zeit am FRIBIS vor allem aus drei Gründen sehr genossen: Erstens hatte ich die Gelegenheit, zum Ordoliberalismus in seiner Geburtsstadt zu forschen. Zweitens konnte ich mit vielen interessanten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am FRIBIS zusammenzuarbeiten und eine Reihe intensiver Gespräche mit Enno Schmidt führen. Drittens verdanke ich der gemeinsamen Leidenschaft von Prof. Neumärker und mir für James M. Buchanan, dass ich einen Workshop über verfassungsrechtliche Ansätze zum Bedingungslosen Grundeinkommen geben durfte, der hoffentlich weitere theoretische und empirische Forschungen zum verfassungsrechtlichen Status des BGE anregen wird.“

Worauf wird sich Deine Arbeit zum BGE in Zukunft konzentrieren?

„Meine zukünftige Arbeit zum BGE hat drei Schwerpunkte: 1. Die Untersuchung der Verbindungen zwischen BGE, sozialem Wandel und der „genehmigungsfreien Innovation“ („Permissionless Innovation“), mit anderen Worten: der Fähigkeit von (armen) Menschen, zu experimentieren und ausgehend von einem Bottom-up-Ansatz Innovationen zu entwickeln, die zu Veränderung und sozialem Wohlstand beitragen. 2. Die Erforschung von Grundeinkommensmodellen innerhalb der verschiedenen Schulen des Liberalismus (Freiburg, Virginia, Chicago und Wien). 3. Die Untersuchung der verfassungstheoretischen und politischen Herausforderungen, die sich bei der Implementierung und Aufrechterhaltung von Grundeinkommensmodellen stellen, um institutionelle Stabilität in einer komplexen demokratischen Gesellschaft zu erreichen und zu erhalten.“

Otto Lehto im Gespräch mit Enno Schmidt: (Ordo-)Liberalismus und Grundeinkommen

Im Interview mit Enno Schmidt spricht Otto Lehto über die theoretischen Ursprünge und Grundlagen des Liberalismus, die Freiburger Tradition des Ordoliberalismus und die Frage, inwiefern aus heutiger Sicht ein BGE mit einem liberalen Staatsverständnis in Einklang zu bringen ist.

Workshop: Eine verfassungstheoretische und kontraktualistische Perspektive auf das BGE

Im September 2021 hat Otto Lehto für die Mitglieder der Nachwuchsforschungsgruppe des FRIBIS einen Workshop veranstaltet, in dem er das BGE aus verfassungsrechtlicher und vertragstheoretischer Perspektive in den Blick nimmt. Ausschnitte des Workshops sind nun auf dem YouTube-Kanal des FRIBIS zu sehen. Im ersten Teil des Videos spricht Otto Lehto über die Bedeutung des verfassungs- bzw. vertragstheoretischen Ansatzes für den Grundeinkommensdiskurs. Im zweiten Teil stellt er am Beispiel von James M. Buchanans verfassungsrechtlichem BGE-Modell eine verfassungstheoretische, politisch-ökonomische Perspektive auf das Grundeinkommen vor.

Wir, die Mitglieder des FRIBIS, bedanken uns bei Otto Lehto nicht nur für seine Mitarbeit am Institut, von der wir viel gelernt und haben, sondern auch für die schöne Zeit, die wir mit ihm verbringen konnten. Wir wünschen ihm viel Erfolg auf seinem weiteren akademischen Weg und freuen uns darauf, ihn hoffentlich bald wieder in Freiburg als Gast begrüßen zu dürfen.