Am 9. April 2025 gab Ute Fischer, Mitglied des FRIBIS-Teams „care“ und Professorin für Politik- und Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund, dem Radiosender SWR Aktuell ein Interview zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Anlass war die Veröffentlichung einer umfassenden Grundeinkommensstudie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Das Gespräch fand im Vorfeld der offiziellen Publikation der Studienergebnisse statt.
Die DIW-Studie begleitete drei Jahre lang 122 Menschen, die monatlich ein Grundeinkommen von 1.200 Euro erhielten, und verglich deren Entwicklung mit einer 1.580-köpfigen Kontrollgruppe ohne diese Zahlungen. Die Forschungsergebnisse des DIW zeigen, dass – anders als häufig vermutet – die Arbeitsbereitschaft von BGE-Empfangenden nicht abnahm: Der Anteil erwerbstätiger Personen blieb in beiden Forschungsgruppen nahezu deckungsgleich, und die Teilnehmenden mit Grundeinkommen arbeiteten durchschnittlich weiterhin 40 Wochenstunden – genau wie die Vergleichsgruppe.

Gemäß der Studienergebnisse wurden stattdessen andere Effekte beobachtet: Die Forschenden dokumentierten in der Grundeinkommensgruppe mehr Jobwechsel (besonders innerhalb bestehender Arbeitgeber), eine höhere Arbeitszufriedenheit sowie verstärkte Weiterbildungsaktivitäten. Die Studie verzeichnete zudem Veränderungen bei Lebenszufriedenheit, mentaler Gesundheit und Stressempfinden in der Grundeinkommensgruppe.

Ute Fischer zum Grundeinkommen als Antwort auf die „Rush Hour des Lebens”

In ihrem Gespräch mit dem SWR betonte Ute Fischer besonders die Vorteile eines Grundeinkommens für Menschen in der sogenannten „Rush Hour des Lebens“ – jener Phase, in der Familiengründung und berufliche Etablierung zusammenfallen. „Wir haben steigende Zahlen von Burnout und Depressionen, die sicherlich auch mit dieser in dieser Lebensphase auftretenden Überlastung zu tun haben“, erklärte die Soziologin und Volkswirtin. Ein Grundeinkommen könnte hier als Stütze dienen, „die einem erlaubt, die Dinge, die anstehen, so zu betreiben, dass man daran nicht krank wird und sich selbst überfordert.“

Care-Arbeit im Fokus

Ein zentraler Punkt in Fischers SWR-Interview war die gesellschaftliche Bedeutung von Fürsorgearbeit. Ute Fischer argumentierte: „Die Marktwirtschaft, wie sie bisher funktioniert, vergisst ja eines – nämlich die Tatsache, dass wir auf einem Arbeitsmarkt aktiv werden können, setzt voraus, dass wir in Familien geboren werden, denen es einigermaßen gut geht, damit sie sich gut um uns kümmern können.“ Diese fundamentale Fürsorgearbeit in Familien und Gemeinwesen werde in der wirtschaftlichen Betrachtung systematisch ausgeblendet, so Fischer: „Wir leiten immer nur von der Erwerbsarbeit die Ersatzzahlung ab, und das halte ich für ein grobes Missverständnis.“

Finanzierung durch Umverteilung

Auf die Frage nach den Kosten eines Bedingungslosen Grundeinkommens von monatlich 1.200 Euro pro Person widersprach Fischer der häufig genannten Summe von einer Billion Euro: „Kein Befürworter des Grundeinkommens würde sagen, wir drucken jetzt Geld und zahlen es jedem aus“, stellte sie klar. Stattdessen verwies sie auf das von ihr mitentwickelte Transfergrenzenmodell des Sozialökonomen Helmut Pelzer aus Ulm, das eine Gegenfinanzierung durch eine zusätzliche soziale Abgabe vorsieht.

Soziale Stabilität als Priorität

Mit Blick auf die aktuellen Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur betonte Fischer, dass Prioritätensetzung eine politische Entscheidung sei: „Diese Milliardenpakete zeigen ja, dass, wenn man etwas will, auch Geld da ist.“ Gleichzeitig warnte sie vor Kürzungen in der Sozialpolitik: „Wir haben Phänomene der Verunsicherung und Ungerechtigkeitsempfinden oder das Gefühl, nicht gesehen und abgehängt zu werden, ja jetzt schon – mit der verheerenden Folge, dass es immer mehr Radikalisierungstendenzen gibt.“

Das vollständige Interview mit Prof. Dr. Ute Fischer ist sowohl in der ARD Audiothek als auch in der SWR Audiothek verfügbar. Weitere Informationen zu den Studienergebnissen finden Sie auf der Website des Pilotprojekts Grundeinkommen.