Die 3. Jahrestagung des FRIBIS, die vom 9. bis 11. Oktober 2023 in Freiburg stattfand, konzentrierte sich auf zwei bisher in der Grundeinkommensdebatte häufig vernachlässigte Bereiche, die für das gesellschaftliche Zusammenleben entscheidend sind: Gender und Care. Im Zentrum der Konferenz stand dabei die Frage, welche Potenziale und Risiken ein Grundeinkommen für die Sorgearbeit und Gender-Themen wie Geschlechterrollen und -gerechtigkeit bietet. Ein besonderes Interesse galt dabei den Wechselwirkungen von Care und Gender im Kontext des Grundeinkommens. Organisiert wurde die Konferenz sowohl von Mitgliedern der FRIBIS-Teams care und UBIG (UBI & Gender).

BGE als Antwort auf Care-Gaps? Perspektiven und Herausforderungen

Dass Sorgearbeit zu den fundamentalen Voraussetzungen einer funktionierenden Gesellschaft gehört, wird heute gerade in Europa immer deutlicher. Angesichts einer steigenden Lebenserwartung bei sinkenden Geburtenraten sehen wir uns damit konfrontiert, dass der Pflegebedarf in Zukunft deutlich ansteigen wird. Dementsprechend standen auf der Tagung die formelle und informelle Sorgearbeit ebenso im Fokus wie das Phänomen der „Care-Gaps“: Lücken in der Versorgung oder Fürsorge, die dann entstehen, wenn der Bedarf an Sorge- und Pflegeleistungen (wie Kinderbetreuung, Pflege von älteren oder kranken Menschen) die verfügbaren Kapazitäten übersteigt. Die Teilnehmenden erörterten, welche persönlichen und institutionellen Rahmenbedingungen nötig sind, um Sorgelücken zu schließen und welche Rolle dabei ein BGE spielen könnte. Auch die Verflechtungen von Care-, Gender- & Grundeinkommens-Diskursen für sozialökologische Transformationen wurden beleuchtet.

Wir haben Prof. Klaus Baumann, Mitglied des Forschungsteams care, nach seinen Eindrücken als Tagungsteilnehmender gefragt.

Wie hat die Tagung Ihre Perspektive auf den Themenkomplex Care/Gender/BGE beeinflusst?

In den vielfältigen internationalen Beiträgen zu Care und Gender mit der Frage nach den Potentialen eines BGE wurde deutlich, wie wichtig beide Themen sind, die sich – nicht überraschend – immer wieder überschneiden. Die Tagung hat mich und unsere Care-Group sehr darin bestärkt: Forschung dazu tut not, die Entwicklung von Perspektiven und deren Kommunikation in Wissenschaft und Zivilgesellschaft wie Politik hinein wird eine immer dringlichere Aufgabe, nicht durch Polarisierungen und Simplifizierungen, sondern durch nachhaltige Argumente und seriöse Narrative.

Klaus Baumann

 Welchen Nutzen hat Ihnen die Teilnahme gebracht?
Die Konferenz war von großem Nutzen für den Austausch von Ideen und Fragen, für das Lernen voneinander und insbesondere für vielfältige Begegnungen und persönliches Kennenlernen. Sehr erfreulich waren dabei – auf persönliche Nachfragen hin – die Bereitschaft von internationalen und deutschsprachigen Beitragenden aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, mit unserer Care-Gruppe zu kooperieren. Wir werden dies konkretisieren, sobald aus diesen Sondierungen „commitments“ werden.

Bianca Blum, Christine Rudolf, Klaus Baumann

Welche neuen Ideen oder Kooperationen haben sich aufgetan?
Als neue Idee brachten wir erstmals den Begriff einer „Care-Ökologie“ für die Care-Panel-Diskussion ein, den wir weiter entwickeln werden und entfalten wollen. Denn das gemeinsame „Haus“ (oikos), als das wir unseren Planeten bevölkern, kann nur mit sorgsamer „Care“ für die aktuellen Herausforderungen geschützt und auch künftigen Generationen als lebensfreundliche Welt nachhaltig bewahrt werden. Dazu wird auch gehören, die Potentiale des BGE qualifiziert einzubringen.

Bianca Blum, Klaus Baumann, Ronald Blaschke

Gender und Grundeinkommen: Intersektionelle Perspektiven auf der Jahrestagung

Der Gender-Teil der Jahrestagung war von intersektionell-feministischen Perspektiven auf das Bedingungslose Grundeinkommen geprägt. Im Fokus standen unter anderem Überlegungen, wie das BGE die traditionellen Rollen in der Arbeitswelt (Produktion) und im privaten Bereich wie Familienarbeit und Kindererziehung (Reproduktion) beeinflussen könnte. Dabei kamen bislang vernachlässigte feministische Perspektiven verstärkt zu Wort. Ben Trotts spannende Keynote beleuchtete das Grundeinkommen aus einer queeren Perspektive, während Almaz Zelleke in ihrer Keynote eindrucksvoll zeigte, wie unterschiedliche Gesellschafts- und Steuerungssysteme sich unterschiedlich auf verschiedene Geschlechter auswirken. Auch die anderen Vorträge der Teilnehmenden regten dazu an, über die Rolle eines Grundeinkommens für eine mögliche gesellschaftliche Neuordnung nachzudenken, die von feministischen Überlegungen zu Wirtschaft und Politik ausgeht.

Mein zweiwöchiger Aufenthalt in Freiburg begann mit der dritten FRIBIS-Jahreskonferenz – meines Wissens die erste Grundeinkommenskonferenz mit einem thematischen Schwerpunkt auf Gender und Care. Es war sehr anregend, eine Sektion nach der anderen besuchen zu können, in der diese Themen und ihre Verbindung zum Grundeinkommen im Vordergrund standen. Diese Erfahrung hat einige von uns dazu veranlasst, das “Gender and Basic Income network” zu gründen, damit wir bei künftigen Konferenzpanels, Präsentationen, Forschungsprojekten und Veröffentlichungen zusammenzuarbeiten können. Ich erwarte daher, dass der thematische Schwerpunkt der Konferenz weitreichende Auswirkungen auf Grundeinkommensforschung und -aktivismus in der Zukunft haben wird.

Es war eine neue Erfahrung für mich, an einem Ort wie dem Freiburger FRIBIS zu sein, wo sich so viele Forschende in enger Zusammenarbeit dem Grundeinkommen widmen. Ich verbrachte Zeit mit Professor Neumärker und den Doktoranden dort und erfuhr mehr über die verschiedenen Projekte, an denen sie beteiligt sind, und über die Bandbreite der methodischen Ansätze, die sie verwenden. Besonders fasziniert hat mich der ordoliberale/kontraktualistische Ansatz, der in einer Reihe von Laborexperimenten verfolgt wird, um zu ermitteln, welche Vereinbarungen die Bürger:innen zu einer Reihe von Fragen im Zusammenhang mit Verteilung, Umverteilung und Grundeinkommen treffen würden.

Neben dem formellen Austausch auf der Konferenz, den Workshops und den Präsentationen war mein Lieblingsteil der Reise vielleicht die Teilnahme an einem informellen “BGE, Bier und Bratwurst”-Gespräch über die Beziehung zwischen Grundeinkommen und Arbeit. Das ist eine großartige FRIBIS-Tradition und ich freue mich darauf, bei meinem nächsten Besuch in Freiburg wieder daran teilzunehmen.

 

Almaz Zelleke

Almaz Zelleke, Jurgen De Wispelaere

Fazit

Die FRIBIS Jahrestagung 2023 bot den internationalen Teilnehmenden eine hervorragende Plattform für den interdisziplinären Austausch über Care & Gender im Kontext des Bedingungslosen Grundeinkommens. Die lebhaften Diskussionen und erhellenden Erkenntnisse werden zweifellos dazu beitragen, die Themen Care und Gender im Grundeinkommensdiskurs stärker zu verankern. Wir danken allen Teilnehmenden herzlich für ihre bereichernden Beiträge und freuen uns auf die Fortsetzung der Diskussionen im kommenden Jahr.