Prof. Sophia Seung-yoon Lee stellt ihr neues Buch und den Schlüsselbegriff „melting labour“ vor

Am 24. Januar präsentierte Sophia Seung-yoon Lee, Professorin für Sozialpolitik an der Chung-Ang University in Seoul, Korea, in der FRIBIS Junior Research Group (JRG) ihr neues Buch mit dem Titel Varieties of Precarity. Melting Labour and the Failure to Protect Workers in the Korean Welfare State vor und führte zugleich den innovativen Begriff der „melting labour“ (= ,verfließende’ Arbeit) ein. Die Entwicklung, die sie mit diesem Begriff zu erfassen sucht, besteht darin, dass die traditionellen, stabilen Arbeitsverhältnisse in Südkorea immer seltener werden, während die Grenze zwischen verschiedenen Arbeitsarten und -plätzen verschwimmt. Prof. Seung-Yoon Lee lenkt damit den Blick auf Formen prekärer Arbeit, die trotz des Erfolgs der südkoreanischen Wirtschaft und dem bestehenden Wohlfahrtsstaat gegenwärtig existieren.

Wir haben Prof. Seung-Yoon Lee gefragt, wie sie die Diskussion nach ihrem Vortrag erlebt hat:

„An opportunity to deliver a lecture on my newly published book, Varieties of Precarity: Melting Labour and the Failure to Protect Workers in South Korean Welfare State at FRIBIS was an enriching experience for me. The atmosphere during the event was invigorating and intellectually stimulating, underscored by the participants’ enthusiasm and the depth of the discussion. It was particularly impressive to see the audience’s level of interest and understanding regarding the labour market and social policy in Korea, as well as the insightful inquiries about the research methodologies employed. Such interactions are invaluable, encouraging a multidisciplinary approach to tackling complex social issues.“

Über Prof. Sophia Seung-yoon Lee

Sophia Seung-yoon Lee, die an der University of Oxford in Sozialpolitik promoviert wurde, ist eine angesehene Expertin auf dem Gebiet der ostasiatischen Wohlfahrtsstaaten und Arbeitsmärkte sowie der prekären Arbeit. Der Austausch mit Prof. Seung-Yoon Lee ermöglicht es der europäischen Forschung, ein besseres Verständnis für die Herausforderungen der prekären Arbeit und die Schutzmaßnahmen in ostasiatischen Ländern zu vermitteln.

FRIBIS Best Paper Award 2023 für Nachwuchswissenschaftler*innen geht an Franziska Leopold und Tobias Jäger

Wir freuen uns sehr, das neue FRIBIS-Jahr mit der Vergabe des FRIBIS Best Paper Awards zu beginnen. Das FRIBIS-Direktorium zeichnet die Doktorandin Franziska Leopold und den Doktoranden Tobias Jäger für ihre ausgezeichneten Beiträge zur zweiten FRIBIS-Jahrestagung (2022) zum Thema „Basic Income & Development“ aus. Mit ihren Beiträgen im Sammelband Basic Income and Development. Proceedings of the FRIBIS Annual Conference 2022 haben Franziska Leopold und Tobias Jäger wesentlich zur Grundeinkommensforschung und zivilgesellschaftlichen Diskussion beigetragen.

In ihrem Text I Would Like to Continue to Advocate for the Basic Income, BUT… Barriers to political UBI-participation in German speaking countries untersucht Franziska Leopold die entscheidende Rolle von politischer Bildung und Aufklärung zum Grundeinkommen aus der Perspektive von Non-Profit-Organisationen, um Chancen und Grenzen der Befürwortung eines Bedingungslosen Grundeinkommens auszuloten. Auf der Grundlage der Analyse qualitativer Interviews diskutiert die Autorin soziodemografische Profile von Volontär-Arbeiter*innen und thematisiert Hürden, die teilweise zum Ende des Aktivismus führen.

Tobias Jäger wiederum erweitert in seinem Beitrag In the Face of Double Crises: Crossroads for Social Protection die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens angesichts gegenwärtiger und kommender Krisen und nimmt dabei auf Ugo Gentilinis (Weltbank) Vortrag Lessons from cash transfers during Covid and implications for the UBI debate Bezug, der auf der FRIBIS-Jahrestagung 2022 gehalten wurde. Der Fokus des Papers liegt dabei auf einer Diskussion veränderter Sozialschutzpolitiken verschiedener Länder im Kontext der Corona-Krise. Der Autor stellt fest, dass die Corona-Krise keine neuen Trends in der Sozialschutzpolitik hervorgebracht, sondern bestehende Trends verstärkt habe.

Wir möchten noch einmal allen Autor*innen für Ihre Beiträge danken und gratulieren Frau Leopold und Herr Jäger im Besonderen.

Die FRIBIS Jahrestagung 2023: Care & Gender – Potentials & Risks of UBI

Die 3. Jahrestagung des FRIBIS, die vom 9. bis 11. Oktober 2023 in Freiburg stattfand, konzentrierte sich auf zwei bisher in der Grundeinkommensdebatte häufig vernachlässigte Bereiche, die für das gesellschaftliche Zusammenleben entscheidend sind: Gender und Care. Im Zentrum der Konferenz stand dabei die Frage, welche Potenziale und Risiken ein Grundeinkommen für die Sorgearbeit und Gender-Themen wie Geschlechterrollen und -gerechtigkeit bietet. Ein besonderes Interesse galt dabei den Wechselwirkungen von Care und Gender im Kontext des Grundeinkommens. Organisiert wurde die Konferenz sowohl von Mitgliedern der FRIBIS-Teams care und UBIG (UBI & Gender).

BGE als Antwort auf Care-Gaps? Perspektiven und Herausforderungen

Dass Sorgearbeit zu den fundamentalen Voraussetzungen einer funktionierenden Gesellschaft gehört, wird heute gerade in Europa immer deutlicher. Angesichts einer steigenden Lebenserwartung bei sinkenden Geburtenraten sehen wir uns damit konfrontiert, dass der Pflegebedarf in Zukunft deutlich ansteigen wird. Dementsprechend standen auf der Tagung die formelle und informelle Sorgearbeit ebenso im Fokus wie das Phänomen der „Care-Gaps“: Lücken in der Versorgung oder Fürsorge, die dann entstehen, wenn der Bedarf an Sorge- und Pflegeleistungen (wie Kinderbetreuung, Pflege von älteren oder kranken Menschen) die verfügbaren Kapazitäten übersteigt. Die Teilnehmenden erörterten, welche persönlichen und institutionellen Rahmenbedingungen nötig sind, um Sorgelücken zu schließen und welche Rolle dabei ein BGE spielen könnte. Auch die Verflechtungen von Care-, Gender- & Grundeinkommens-Diskursen für sozialökologische Transformationen wurden beleuchtet.

Wir haben Prof. Klaus Baumann, Mitglied des Forschungsteams care, nach seinen Eindrücken als Tagungsteilnehmender gefragt.

Wie hat die Tagung Ihre Perspektive auf den Themenkomplex Care/Gender/BGE beeinflusst?

In den vielfältigen internationalen Beiträgen zu Care und Gender mit der Frage nach den Potentialen eines BGE wurde deutlich, wie wichtig beide Themen sind, die sich – nicht überraschend – immer wieder überschneiden. Die Tagung hat mich und unsere Care-Group sehr darin bestärkt: Forschung dazu tut not, die Entwicklung von Perspektiven und deren Kommunikation in Wissenschaft und Zivilgesellschaft wie Politik hinein wird eine immer dringlichere Aufgabe, nicht durch Polarisierungen und Simplifizierungen, sondern durch nachhaltige Argumente und seriöse Narrative.

Klaus Baumann

 Welchen Nutzen hat Ihnen die Teilnahme gebracht?
Die Konferenz war von großem Nutzen für den Austausch von Ideen und Fragen, für das Lernen voneinander und insbesondere für vielfältige Begegnungen und persönliches Kennenlernen. Sehr erfreulich waren dabei – auf persönliche Nachfragen hin – die Bereitschaft von internationalen und deutschsprachigen Beitragenden aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, mit unserer Care-Gruppe zu kooperieren. Wir werden dies konkretisieren, sobald aus diesen Sondierungen „commitments“ werden.

Bianca Blum, Christine Rudolf, Klaus Baumann

Welche neuen Ideen oder Kooperationen haben sich aufgetan?
Als neue Idee brachten wir erstmals den Begriff einer „Care-Ökologie“ für die Care-Panel-Diskussion ein, den wir weiter entwickeln werden und entfalten wollen. Denn das gemeinsame „Haus“ (oikos), als das wir unseren Planeten bevölkern, kann nur mit sorgsamer „Care“ für die aktuellen Herausforderungen geschützt und auch künftigen Generationen als lebensfreundliche Welt nachhaltig bewahrt werden. Dazu wird auch gehören, die Potentiale des BGE qualifiziert einzubringen.

Bianca Blum, Klaus Baumann, Ronald Blaschke

Gender und Grundeinkommen: Intersektionelle Perspektiven auf der Jahrestagung

Der Gender-Teil der Jahrestagung war von intersektionell-feministischen Perspektiven auf das Bedingungslose Grundeinkommen geprägt. Im Fokus standen unter anderem Überlegungen, wie das BGE die traditionellen Rollen in der Arbeitswelt (Produktion) und im privaten Bereich wie Familienarbeit und Kindererziehung (Reproduktion) beeinflussen könnte. Dabei kamen bislang vernachlässigte feministische Perspektiven verstärkt zu Wort. Ben Trotts spannende Keynote beleuchtete das Grundeinkommen aus einer queeren Perspektive, während Almaz Zelleke in ihrer Keynote eindrucksvoll zeigte, wie unterschiedliche Gesellschafts- und Steuerungssysteme sich unterschiedlich auf verschiedene Geschlechter auswirken. Auch die anderen Vorträge der Teilnehmenden regten dazu an, über die Rolle eines Grundeinkommens für eine mögliche gesellschaftliche Neuordnung nachzudenken, die von feministischen Überlegungen zu Wirtschaft und Politik ausgeht.

Mein zweiwöchiger Aufenthalt in Freiburg begann mit der dritten FRIBIS-Jahreskonferenz – meines Wissens die erste Grundeinkommenskonferenz mit einem thematischen Schwerpunkt auf Gender und Care. Es war sehr anregend, eine Sektion nach der anderen besuchen zu können, in der diese Themen und ihre Verbindung zum Grundeinkommen im Vordergrund standen. Diese Erfahrung hat einige von uns dazu veranlasst, das “Gender and Basic Income network” zu gründen, damit wir bei künftigen Konferenzpanels, Präsentationen, Forschungsprojekten und Veröffentlichungen zusammenzuarbeiten können. Ich erwarte daher, dass der thematische Schwerpunkt der Konferenz weitreichende Auswirkungen auf Grundeinkommensforschung und -aktivismus in der Zukunft haben wird.

Es war eine neue Erfahrung für mich, an einem Ort wie dem Freiburger FRIBIS zu sein, wo sich so viele Forschende in enger Zusammenarbeit dem Grundeinkommen widmen. Ich verbrachte Zeit mit Professor Neumärker und den Doktoranden dort und erfuhr mehr über die verschiedenen Projekte, an denen sie beteiligt sind, und über die Bandbreite der methodischen Ansätze, die sie verwenden. Besonders fasziniert hat mich der ordoliberale/kontraktualistische Ansatz, der in einer Reihe von Laborexperimenten verfolgt wird, um zu ermitteln, welche Vereinbarungen die Bürger:innen zu einer Reihe von Fragen im Zusammenhang mit Verteilung, Umverteilung und Grundeinkommen treffen würden.

Neben dem formellen Austausch auf der Konferenz, den Workshops und den Präsentationen war mein Lieblingsteil der Reise vielleicht die Teilnahme an einem informellen “BGE, Bier und Bratwurst”-Gespräch über die Beziehung zwischen Grundeinkommen und Arbeit. Das ist eine großartige FRIBIS-Tradition und ich freue mich darauf, bei meinem nächsten Besuch in Freiburg wieder daran teilzunehmen.

 

Almaz Zelleke

Almaz Zelleke, Jurgen De Wispelaere

Fazit

Die FRIBIS Jahrestagung 2023 bot den internationalen Teilnehmenden eine hervorragende Plattform für den interdisziplinären Austausch über Care & Gender im Kontext des Bedingungslosen Grundeinkommens. Die lebhaften Diskussionen und erhellenden Erkenntnisse werden zweifellos dazu beitragen, die Themen Care und Gender im Grundeinkommensdiskurs stärker zu verankern. Wir danken allen Teilnehmenden herzlich für ihre bereichernden Beiträge und freuen uns auf die Fortsetzung der Diskussionen im kommenden Jahr.

Vortrag von Prof. John Davis: Technological Unemployment Creates a New Kind of Collective Property that Can Fund Basic Incomes

Seit der industriellen Revolution hat die technologische Innovation zu umfassenden Verlusten an Arbeitsplätzen geführt. Bis jetzt haben jedoch dieselben Technologien, die für diese Verluste verantwortlich waren, andere Arbeitsplätze geschaffen und die Verluste damit ausgeglichen. Aber wird sich dieser Trend fortsetzen?

Prof. John Davis von der California State University, Fullerton glaubt, dass dies nicht der Fall sein wird. In einem Vortrag, den er am 21. November 2023 am FRIBIS in Freiburg hielt, stellte er seine Überlegungen zur Diskussion. Seiner Ansicht nach dringen Künstliche Intelligenz und Robotik in Aufgabenfelder vor, die bisher nur Menschen vorbehalten blieben. Wie diese jüngsten Entwicklungen in Zusammenhang mit einer Ethik des privaten und öffentlichen Eigentums stehen, war Gegenstand des Vortrags von Prof. Davis. Er argumentierte, dass es in Zeiten, in denen Menschen durch die fortschreitende Automatisierung aus dem Arbeitsmarkt verdrängt würden und keine zukünftige Beschäftigung in Sicht sei, ethisch vertretbar und angemessen sein könnte, ein Grundeinkommen aus den gestiegenen Gewinnen der „Kapitalisten“ zu finanzieren. Diese Gewinne, so Prof. Davis, seien eine neue Form des öffentlichen Eigentums. Statt lediglich auf etablierte antikapitalistische Argumentationsmuster zurückzugreifen, stellte Prof. Davis seine eigenen Überlegungen in einem Gesprächsstil vor, der sich direkt auf die Rechtfertigungen der Verfechter des Status quo auseinandersetzt.

Auf den Vortrag von Prof. Davis – der vor allem deswegen nach Freiburg kam, um ökonomisches Feedback zu seinen Überlegungen zu erhalten – folgte ein lebendiger Austausch. Auch wenn es insgesamt viele Übereinstimmungen gab, wurden einige Punkte sowohl aus der Sicht der Ökonomie, der Sozialwissenschaft im Allgemeinen und der Ethik diskutiert. Wir danken Prof. Davis für seinen Vortrag und freuen uns darauf, die von ihm geplante Abhandlung zum Thema zu lesen.

Mehr über Prof. John Davis Publikationen erfahren Sie hier.

Zwei neue Bände in der FRIBIS-Reihe: Studien des Freiburger Instituts für Grundeinkommensstudien

In der Reihe “Studien des Freiburger Instituts für Grundeinkommensstudien” sind soeben zwei neue Bände beim LIT Verlag erschienen:

Band 2

Lüdemann, Neumärker, Schachtschneider (Hg.): Grundeinkommen braucht Europa – Europa braucht Grundeinkommen, LIT Verlag Dr. W. Hopf Berlin 2023.

Erhältlich über den LIT Verlag: https://www.lit-verlag.de/isbn/978-3-643-15431-6

In diesem neuen Sammelband des Freiburger Instituts zur Erforschung des Grundeinkommens wird das BGE als eine solidarische, möglichst unbürokratische Existenzsicherung für alle Europäerinnen und Europäer untersucht. Die Autor*innen widmen sich aus verschiedenen Perspektiven und Disziplinen der Frage, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen eine potenzielle soziale Säule sein könnte, die Disparitäten bei der ökonomischen Leistungsfähigkeit zwischen den Mitgliedstaaten auszugleichen. Sowohl als Printausgabe und auch eBook Download verfügbar!

Band 3

Sammelband zur 2. FRIBIS Jahrestagung: Neumärker, Schulz (Hg.): Basic Income and Development, LIT Verlag GmbH & Co. KG Wien 2023.

Erhältlich über den LIT Verlag: https://www.lit-verlag.de/isbn/978-3-643-91641-9

Auch im Anschluss der zweiten FRIBIS-Jahrestagung im Oktober 2022 ist ein Sammelband entstanden, in dem die Beiträge des Tagungsthemas „Basic Income and Development“ präsentiert werden. Die Beiträge der Autor*innen befassen sich aus internationaler und interdisziplinärer Perspektive mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen im Kontext von Fragen zum Thema Development. Sowohl als Printausgabe und auch eBook Download verfügbar!

Eine Übersicht über alle bisherigen veröffentlichten Bände finden Sie hier.

Interessierte Bibliotheken und Institute können sich bei Interesse und Fragen auch an Jessica Schulz, Publikationsmanagament FRIBIS jessica.schulz@fribis.uni-freiburg.de wenden.

Thüringen diskutiert das Grundeinkommen: Rückblick auf Prof. Neumärkers Vortragsreihe im November 2023

Etwa eine Woche ist es her, dass sich FRIBIS-Direktor Prof. Bernhard Neumärker gemeinsam mit Daniel Weißbrodt (Germanist und Grundeinkommensbefürworter) auf eine Tandem-Vortragsreise zum Grundeinkommen nach Thüringen begeben hat. Die Veranstaltungsreihe (7. bis 10. November 2023) kam durch die Vermittlung von Susanne Schickschneit zustande, der Vorsitzenden des Vereins “Thüringer für Grundeinkommen”. Unter dem Titel „Bedingungsloses Grundeinkommen – eine Utopie gut durchgerechnet“ stellten beide Vortragenden ihre Argumente vor und erklärten unter anderem, weswegen ein BGE – anders als man häufig hört – durchaus finanzierbar sei.

Wir haben Prof. Neumärker gefragt, welche Eindrücke die Reise bei ihm hinterlassen hat und was er aus den Diskussionen mit den Menschen vor Ort mitnehmen konnte. Zunächst einmal habe es ihn gefreut, zu sehen, wie aktiv die Grundeinkommensszene in Thüringen sei, so Prof. Neumärker. Eine Herausforderung für die Zukunft bestehe darin, das Thema Grundeinkommen in die aktuellen politischen Debatten rund um Krisen und wirtschaftliche Probleme noch stärker einzubringen und die Öffentlichkeit an das Thema BGE heranzuführen. Gerade die aktuelle Diskussion um das Bürgergeld biete hier gute Anknüpfungsmöglichkeiten. Er sei jedoch positiv überrascht gewesen, wie offen die Menschen für neue und weniger bekannte Argumente zugunsten des BGE waren. Auf reges Interesse stießen insbesondere die Idee des Netto-Grundeinkommens und die Konzeption des BGE als eine Art Ausstiegsoption, die Menschen die Möglichkeit gibt, sich aus schwierigen Lebenssituationen selbstständig zu befreien.

Die Zusammenarbeit mit Daniel Weißbrodt habe sich, so Prof. Neumärker, als außerordentlich fruchtbar erwiesen. Das gegenseitige Abgleichen von Argumenten – einerseits denen eines wissenschaftlich interessierten Schriftstellers aus der Zivilgesellschaft, andererseits denen eines Vertreters des akademischen Milieus – hätten beiden Seiten und dem Publikum neue Erkenntnisse verschafft.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass das positive Feedback auf die Thüringer Tandem-Vortragsreihe den Ansatz des FRIBIS bestätigt: Das Thema BGE muss weiter in die Zivilgesellschaft hineingetragen und die wissenschaftliche Forschung einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.

Rückblick auf die FRIBIS Summer School 2023

Im Jahr 2023 organisierte das FRIBIS eine dreiteilige Summer School zum Thema „Empirical Methods of UBI Investigations“. Ziel der Reihe war es, praxisnaher Grundeinkommensforschung ein Forum zu bieten und Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, sich mit renommierten Expertinnen und Experten vor Ort auszutauschen.

Welche Themen und Fragestellungen standen konkret im Mittelpunkt? Was konnten die Leitenden und Teilnehmenden der Summer Schools aus den Veranstaltungen für sich mitnehmen? Haben die Summer School ihre Perspektive auf das Grundeinkommen verändert? Dies und mehr erfahren Sie im folgenden Bericht.

FRIBIS Summer School 2023 Part 1/3: “How to Build a UBI Pilot”

Wie man einen Grundeinkommens-Piloten plant und durchführt, lässt sich nicht allein mit theoretischen Mitteln beantworten. Deswegen hat das FRIBIS mit Sarath Davala (BIEN) und Neil Howard (University of Bath) zwei Experten für die Leitung des ersten Teils der Summer School am 10. Juli 2023 eingeladen, die 2022 gemeinsam den workFREE UBI+ Pilot in Indien in die Wege geleitet haben. Im Zuge von workFREE erhalten ca. 1250 Bewohnerinnen und Bewohner von vier informellen Siedlungen in Hyderabad (Indien), die zuvor größtenteils als Müllsammelnde am Rande des Existenzminimums lebten, für 18 Monate BGE sowie organisatorische Unterstützung bei der Identifikation und Lösung von Problemen.

Laut Neil Howard, dem Koordinator des Mitte 2023 neu gegründeten Teams FRIBIS-Teams „UBI Experiments“, war die Summer School die erste wichtige Maßnahme für sein Team. Einen Tag lag sprach er gemeinsam mit Sarath Davala über die kritischen Aspekte, was Pilotprojektdesign und -umsetzung betrifft – von praktischen Fragen wie der Auswahl von Stichproben über ethische und methodische Fragestellungen bis hin zum Thema der Interessenvertretung.

„Die Summer School war eine der ersten Schulungen dieser Art, und ihre Aufzeichnung und Verbreitung wird eine wichtige Ressource für die aufkeimende Pilotengemeinschaft darstellen. Wir freuen uns darauf, bald eine längere und umfangreichere Winter School zu veranstalten!“ (Neil Howard)

Weitere Informationen zur „How to Build a UBI Pilot“ Summer School finden Sie hier.

FRIBIS Summer School 2023 Part 2/3: Social Contract Lab Experiments

Welche gesellschaftlichen Grundregeln sollten gelten, wenn wir ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen? Diese normative Frage wird zumeist theoretisch-argumentativ beantwortet, sie lässt sich jedoch auch mit empirischen Mitteln angehen. Die experimentelle Ökonomie und Verhaltensökonomie bieten Ansätze, wie man unter Laborbedingungen das gesellschaftliche Einigungs- und Legitimationspotenzial für ein Grundeinkommen testen kann. Wie genau das funktioniert, wurde zwischen dem 11. und 14. Juli 2023 im Rahmen des zweiten Teils der Summer School erörtert.

Der zweite Teil der Summer School nahm insgesamt vier Tage in Anspruch. Die ersten beiden Tage fand die Summer School unter Leitung von Prof. Bernhard Neumärker statt, der neben dem FRIBIS auch dem Social Contract Laboratory (SoCoLab) Freiburg vorsteht und auf langjährige Erfahrung in der empirischen Untersuchung von gesellschaftsvertraglichen Auswahlprozessen zurückblicken kann. Die letzten beiden Tage des zweiten Teils der Summer School leiteten drei italienische Expertinnen und Experten, Prof. Lorenzo Sacconi (Universität Mailand), Prof. Marco Faillo (Universität Trient) und Dr. Virginia Cecchini Manara (Universität Mailand).

Wir haben die Philosophin Laura Marcon (Postdoc Fellow an der University of Pennsylvania) gefragt, welchen Nutzen sie aus der Summer School ziehen konnte und inwiefern sich ihr Blick auf das BGE durch die Teilnahme verändert hat:

„Die Summer School bot eine wertvolle Plattform, um innovative Ansätze im Bereich der Verteilungsgerechtigkeit zu erkunden, wobei der Schwerpunkt auf dem BGE und dem Mindesteinkommen lag. Die Anwesenheit von Teilnehmern, die sich mit der Materie gut auskennen, förderte anregende Diskussionen und legte den Grundstein für mögliche künftige Kooperationen.

Die Veranstaltung hat meine Sichtweise auf das BGE deutlich verändert. Sie zeigte klar, wie wichtig es ist, experimentelle ökonomische Methoden zur Erforschung des Grundeinkommens einzusetzen und zeigte die zentrale Rolle auf, die Laborexperimente für das Verständnis der öffentlichen Wahrnehmung und die Entwicklung praktikablerer Lösungen in diesem Bereich spielen können.“ (Laura Marcon)

Weitere Informationen zur „Social Contract Lab Experiments“ Summer School finden Sie hier.

FRIBIS Summer School 2023 Part 3/3: „Microsimulation and Social Welfare Maximization”

Der dritte und letzte Teil der Summer School fand zwischen dem 18. und 20. Juli 2023 unter Leitung von Ugo Colombino (Universität Turin) zum Thema Mikrosimulation und Wohlstandsmaximierung statt. Mikrosimulationsmodelle sind computergestützte Modelle, die individuelle Entscheidungen und Verhaltensweisen auf Grundlage umfangreicher Daten simulieren, um die Auswirkungen von politischen Maßnahmen oder sozialen Veränderungen auf Einzelpersonen oder Haushalte zu analysieren. Was die Grundeinkommensforschung betrifft, so geben sie Forschenden Mittel an die Hand, herauszufinden, wie etwa die Zahlung eines BGE die Lebensbedingungen von Menschen beeinflussen würde, welche Auswirkungen eine solche Zahlung auf den Arbeitsmarkt hätte oder wie eine BGE-Zahlung gestaltet sein müsste, um den gesellschaftlichen Wohlstand zu maximieren.

Der Workshop hatte das Ziel, junge Forschende und arrivierte Forschende, die im Bereich der statischen Modellierung Neuland betreten, mit den theoretischen Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten der Mikrosimulation vertraut zu machen. Vom Forschungsdesign bis zur Analyse der Ergebnisse wurde dabei der gesamte Bereich der wissenschaftlichen Anwendung abgedeckt.

Wir haben Fabian Boehme und Lilly Fischer, beide Doktoranden am renommierten ifo Institut, gefragt, welche Eindrücke sie aus den Summer Schools mitgenommen haben:

 

„Die Summer School hat mir ermöglicht, mich auf dem speziellen Gebiet der Mikrosimulation weiterzubilden. Es gab einen guten Überblick über Anwendungsmöglichkeiten und theoretische Grundlagen. Mikrosimulation ist eine essenzielle Methode, um die Effekte auf den Staatshaushalt, Arbeitsmarkt sowie Ungleichheit von Reformen des Steuer- und Transfersystems abzuschätzen.“ (Lilly Fischer)

„Die diesjährige Summer School Mikrosimulationen von FRIBIS war für mich als jungen PhD-Studenten äußerst erfolgreich. Ich hatte die einzigartige Gelegenheit, von einem angesehenen Experten auf dem Gebiet der Mikrosimulation und optimalen Besteuerung, Ugo Colombino, zu lernen und meine eigene Forschung zu präsentieren. Das besondere Umfeld aus gleichgesinnten jungen Forschern ermöglichte einen einzigartigen Wissensaustausch, der sich sogar abends in geselliger Runde fortsetzte. Ich möchte einen besonderen Dank an Tanja Kirn aussprechen, die mit ihrer reibungslosen Planung dafür gesorgt hat, dass diese Summer School zu einem unvergesslichen Ereignis wurde.“ (Fabian Boehme)

Weitere Informationen zur „Microsimulation and Social Welfare Maximization“ Summer School finden Sie hier.

Fazit

Die dreiteilige FRIBIS Summer School 2023 waren ein voller Erfolg und motivieren uns, im nächsten Jahr erneut eine Summer School in Freiburg zu veranstalten, die der internationalen Grundeinkommensforschung eine Plattform bietet. Das letzte Wort hat Simon März – wissenschaftlicher Mitarbeiter am FRIBIS und Koordinator des XUBI Forschungsteams – der alle drei Teile der Summer School absolviert hat.

„Für mich als Teilnehmer waren die Summer Schools nicht nur inhaltlich höchst spannend und abwechslungsreich, sondern auch ein wunderbarer Ort um mich mit vielen anderen Forschenden in dem Feld über deren Forschung und Forschungsansätze auszutauschen. Viele der Inspirationen werden mich noch weiterhin in meiner eigenen Forschung begleiten und ich kann deswegen jedem empfehlen die nächsten Summer Schools zu besuchen.“ (Simon März)

Vortragsreise vom 7. bis 10. November 2023: “Bedingungsloses Grundeinkommen – eine Utopie gut durchgerechnet”

Zwischen 7. und 10. November 2023 reisen Prof. Dr. Bernhard Neumärker (Ökonom) und Daniel Weißbrodt (Germanist & Autor) durch Thüringen, um die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens vorzustellen. Häufig wird gegen die Idee eines Grundeinkommens das Argument ins Feld geführt, seine flächendeckende Einführung sei zu teuer. Bernhard Neumärker und Daniel Weißbrodt lassen diesen Einwand nicht gelten. Ihre eigenen Kalkulationen präsentieren sie im Rahmen von Vorträgen unter dem Titel „Bedingungsloses Grundeinkommen – eine Utopie gut durchgerechnet“.

Die Vortragstermine sind:

  • Nordhausen, Dienstag, 07. November 2023, 18 Uhr im Lesesaal der Stadtbibliothek, Nikolaiplatz 1
  • Weimar, Mittwoch, 08. November 2023, 19 Uhr im Gewölbekeller der Stadtbibliothek, Steubenstraße 1
  • Suhl, Donnerstag, 09. November 2023, 19 Uhr in der Kulturbaustelle, Friedrich-König-Straße 35
  • Eisenach, Freitag, 10. November 2023, 19 Uhr im Gedankentheater, Theaterplatz 2

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.

Der FRIBIS-Workshop „Das bedingungslose Grundeinkommen als ökonomisches Narrativ?“ (20.–22. September 2023)

Es herrscht ein gewisses Durcheinander, wenn es um ‚Narrative‘ geht. Während manche das Wort ,Narrativ‘ für eine nichtssagende Floskel halten, verwenden andere den Narrativbegriff wie selbstverständlich als Analysekategorie zur Erklärung gesellschaftlicher Phänomene. Und während die einen davon sprechen, dass gegnerische Vorstellungen „bloße Narrative“ seien, stellen andere fest, dass wir „neue Narrative brauchen“. Gerade auch im Grundeinkommensdiskurs spielt der Narrativbegriff eine wichtige Rolle: Ist das BGE zum Beispiel ein „bloßes Narrativ“ – oder bedarf es neuer Narrative, etwa eines Gegen-Narrativ zum Leistungsgedanken, um dem Grundeinkommen mehr gesellschaftliche Akzeptanz zu verschaffen?

Begrüßung durch Prof. Andreas Urs Sommer

Zur Veranstaltung

Das FRIBIS-Team Partizipation und bedingungsloses Grundeinkommen – ‚Narrative‘ der Zukunft (PartUBI) hat zwischen 20. und 22. September 2023 einen Workshop veranstaltet, um Licht ins Dickicht der Narrative zu bringen. Die von Leon Hartmann, Sebastian Kaufmann und Robert Krause organisierte Veranstaltung stand unter dem Titel „Das bedingungslose Grundeinkommen als ökonomisches Narrativ?“ Zu den Vortragenden gehörten Nachwuchsforschende und arrivierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen (das Programm finden Sie hier).

 

Unterschiede zwischen den Teilnehmenden zeigten sich vor allem im Hinblick auf die Verwendung des Narrativbegriffs und die jeweiligen methodischen Prämissen. So nahmen einige Vortragende methodologische Metaperspektiven ein und sprachen darüber, welche Denotationen und Konnotationen dieser Begriff hat und wie er in bestimmten Diskursen gebraucht wird. Andere Vortragende waren dagegen weniger an der Analyse diskursiver Praktiken interessiert als vielmehr an gesellschaftlichen Phänomenen rund um das Grundeinkommen, die sie mit dem Narrativbegriff analytisch zu erfassen suchten. Dass Vertreterinnen und Vertreter dieser unterschiedlichen Herangehensweisen im Zuge des Workshops ins Gespräch gekommen sind, hat sich als äußerst fruchtbar erwiesen.

Fazit und weiteres Vorgehen von PartUBI

Es wurde im Zuge des Workshops deutlich, wie zukunftsweisend das Thema der Narrative in seinem Zusammenhang mit dem Grundeinkommen ist und wie entscheidend der Narrativbegriff gegenwärtige Gesellschaftsdebatten bestimmt. Die Mitglieder von PartUBI sehen sich daher bestärkt in ihrem Anliegen, die Verwendung des Narrativbegriffs und die Funktion von ‚Narrativen‘ im Kontext von Kultur, Wissenschaft und Politik in Zukunft noch genauer zu untersuchen. Als Nächstes steht die Publikation eines Sammelbands in der FRIBIS-Schriftenreihe an, in dem die ausgearbeiteten Beiträge der Workshop-Teilnehmenden veröffentlicht werden.

Prof. Dr. Michael Roos

Interview mit Toru Yamamori (Doshisha University) aus dem Gender-Team zu seinem Aufenthalt in Freiburg

Im Rahmen seines Gastaufenthalts am FRIBIS präsentierte Professor Toru Yamamori an einem sonnigen Dienstagnachmittag in Freiburg sein Paper Is a penny a month a basic income? A historiography of a threshold in basic income den Mitgliedern des FRIBIS sowie externen interessieten Hörer*innen. Der Professor für Ökonomie der Doshisha Universität in Kyoto gewann mit diesem Paper bereits zum wiederholten Mal den Essay-Preis der renommierten Zeitschrift Basic Income Studies.

Als Co-Chair der BIEN-Arbeitsgruppe zur Klarheit von Grundeinkommensdefinitionen stellte Toru Yamamori die Frage, ob eine Schwelle für ein Grundeinkommen in der Definition des Grundeinkommens enthalten sein müsse und gab einen Überblick über die Entwicklung von impliziten und expliziten Definitionen eines Grundeinkommens. Auf den Vortrag mit dem gütiger Weise an das deutsche Publikum angepassten Titel „Is a cent a month ein Grundeinkommen?“ folgte eine lebendige Diskussion, die sich beim anschließenden gemeinsamen Abendessen fortsetzte. Wir bedanken uns bei Professor Toru Yamamori für seinen anregenden Vortrag, die fachlich spannenden und zugleich netten Gespräche während seines Aufenthalts und seine Arbeit für das FRIBIS-Gender-Team, welches sich nach Jahren der Online-Meetings endlich in Teilen persönlich treffen konnte.

Wie war dein Aufenthalt in Freiburg/bei FRIBIS?

Es war wirklich toll. Ich bin schon seit einigen Jahren im UBI- und Gender-Forschungsteam und kenne Jessica und Clem schon seit ein paar Jahren, aber das war das erste Mal, dass wir uns persönlich treffen konnten. Auch Prof. Neumärker (Leitung) und die Kolleg*innen am FRIBIS sind freundlich und gaben mir das Gefühl, an einer Heimatinstitution zu sein.

Was hat dich überrascht bzw. was hast du für Reaktionen auf deinen Vortrag erwartet?

Die Leute haben meinem Vortrag aufmerksam zugehört und mir wichtiges Feedback gegeben. Es ist schade, dass ich nicht länger bleiben konnte, um mich noch mehr auszutauschen. Ich würde gerne wieder nach Freiburg kommen.